Nachhaltige Beschaffung - Make it green? Make it right!

Wer Nachhaltigkeit predigt, darf nicht in Fernost billig produzieren. Es ist höchste Zeit für einen Perspektivwechsel – und eine Rückbesinnung auf den Standort Deutschland.

Durch die Coronapandemie musste die deutsche Bevölkerung viel Lehrgeld bezahlen. Wer hätte gedacht, dass eine FFP2-Maske als gewöhnlicher Coronaartikel mehr als das 20-Fache seines Wertes erreichen würde? Und wer hätte gedacht, dass man aus einer derartigen Notlage keine Lehren ziehen würde? Heute müssen wir feststellen, dass der „Preis immer noch heiß ist“ und weiterhin um Centbeträge gefeilscht wird. Aber möglichst „green“ und natürlich auch „Fairtrade“. Nur wie passt das eigentlich zusammen?

Der Gesundheitssektor ist für mehr als fünf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich (dabei entfallen circa 70 Prozent auf Versorgung und Beschaffung). Dennoch wird mit voller Kraft in Fernost produziert. Die meisten der weltweit produzierten Coro naartikel und Medikamente stammen aus China und Indien, denn dort wird bekannterweise am günstigsten produziert. Die Folge: Unsere Versorgung liegt fest in der Hand dieser Länder und der Grad der Abhängigkeit steht auf Höchstniveau. Ist das Nachhaltig und vor allem sicher?

Spätestens seit den wichtigen und richtigen Sanktionen gegenüber Russland steht die Versorgungssicherheit der Patienten im Fokus eines jeden Krankenhauses und auch der Einkaufsgemeinschaften. Denn was passiert, wenn die „Sanktionierer“ plötzlich selbst sanktioniert werden? Durch China oder Indien zum Beispiel. Genau die Länder haben sich bisher immer noch nicht eindeutig gegenüber Russland als deren wichtigen Wirtschaftspartner positioniert. Was geschieht also, wenn die Häfen in Shanghai und Co. plötzlich geschlossen für Exporte nach Europa sind und die Transportflugzeuge am Boden bleiben? Gibt es einen Plan B?

Genau jetzt müssten sich doch Vertreter aus Gesundheitswesen, Industrie und Politik über Szenarien beraten und Konzepte erarbeiten, um die Versorgung weiterhin gewährleisten zu können. Die Uhr zeigt bereits fünf nach zwölf und die Krankenhäuser versuchen verzweifelt, eine Bevorratung von notwendigen Produkten aufzubauen. Doch auch hier werden die Krankenhäuser durch die Industrie kontingentiert und beinahe täglich von zweistelligen Energie- und Rohstoffkostenzuschlägen doppelt bestraft.

Wäre „Made in Germany“ nicht auch für Coronaartikel denkbar? Kann es sich das Gesundheitswesen überhaupt noch leisten, nicht über weitere Produktionsstätten in Europa nachzudenken? Was ist uns unsere Gesundheit am Ende wert? Weltweit findet unser Gesundheitssystem höchste Anerkennung. Milliarden über Milliarden fließen jährlich in die Säckel der Krankenkassen. Die DRG sorgen dafür, dass auch nicht zu viel bei den Krankenhäusern hängen bleibt. Wobei es in der Pandemie tatsächlich den skurrilen Zustand gegeben hat, dass teilweise Krankenhäuser mit leeren Betten mehr Geld verdient haben als im normalen Regelbetrieb. Dennoch geht das Pflegepersonal auf dem Zahnfleisch und die Kassen der Krankenhäuser sind leer. Und jetzt?

Wie schaffen wir es also, gestärkt aus der Krise zu kommen und für die nächsten Generationen keinen finanziellen Totalschaden zu hinterlassen? Wie wäre es zum Beispiel mit staatlichen Subventionen für die Errichtung von Produktionsstandorten in Deutschland? Das hat es schon einmal gegeben. Bis heute hat die Steinkohleindustrie mehr als 140 Milliarden Euro an Subventionen bekommen – so viel wie kein anderer Wirtschaftszweig.

Sind die Lohnkosten wirklich noch der Stolperstein für die Errichtung deutscher Produktionsstätten – unabhängig davon, dass Tausende von neuen Arbeitsplätzen geschaffen werden könnten? Betrachtet man die weltweit explodierenden Transport- und Rohstoffkosten, können wir doch eigentlich nicht mehr weit von der „schwarzen Null“ entfernt sein. Welche Erkenntnis bleibt? Ein „Weiter-so“ darf es schon mal nicht geben.

2021 wurden weltweit 36,3 Milliarden Tonnen energiebedingte CO2-Äquivalente ausgestoßen – und damit so viel wie noch nie zuvor. Ein Flug von Shanghai nach Frankfurt produziert rund 800 Tonnen CO2-Ausstoß – one way! Ein mittelgroßes Containerschiff verbraucht bei voller Ladung – das sind rund 12.000 Container – über 300 Tonnen Schweröl pro Tag. Ist das nachhaltig? Bei der Errichtung von eigenen Produktionsstätten hätten wir somit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit unserer Krankenhäuser und deutliche Emissionseinsparungen bei allen Beschaffungswegen – das wäre dann nicht nur echt „green“, sondern auch echt „right“.